Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Unterammergau
Einleitung
Über die Geschichte der Feuerwehr Unterammergau fehlen uns zusammenhängende Aufschreibungen. Es fällt auf, daß wenig über die Brände vergangener Jahrhunderte festgehalten ist. Bei der relativ großen Zahl von Dorf-, Kloster- oder Kirchenbränden in der damaligen Zeit war es anscheinend nicht von großer Bedeutung, kleine Brände für die Nachwelt zu dokumentieren.
Dankbar sind wir daher für die vielen kleinen Hinweise, die gegeben wurden. Es ist uns dadurch möglich, das Geschehen um die Brandbekämpfung wenigstens die letzten 250 Jahre zurückzuverfolgen. Es kann daraus nachempfunden werden, wieviel an Zeit, Erfahrung und Idealismus es bedurfte, aus primitiven Anfängen das zu machen, was unsere Feuerwehr heute ist.
Frühgeschichte
Zur Frühgeschichte ergibt sich aus den vorgenannten Beiträgen immerhin ein farbiges Mosaik von Ereignissen und Daten:
Im Jahr 1731 brannte in Oberammergau der Pfarrhof. Der dortige Chronist berichtet u. a.: durch die herbeigeeilten Feuerspritzen aus Unterammergau und Ettal konnte Schaden an den angrenzenden Gebäuden verhindert werden…“.
Am 2. November 1764 wurde das Anwesen zum „Hansa“ (jetzt Speer Anton) ein Raub der Flammen. Ein Knecht, den man beschuldigte, den Brand gelegt zu haben, wurde daraufhin in Murnau vom dortigen Gericht verurteilt und durch das Schwert enthauptet.
Für den 23. Mai 1777 schreibt der Chronist aus Oberammergau folgendes:
In der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr ertönte Sturmgeläute und Feuerruf. Es brannte in Unterammergau. Alle Mannschaften von Oberammergau mit 2 Spritzen eilten hinab, nachbarliche Hilfe nach Kräften zu leisten. Aber das Feuer wütete schrecklich. Das ganze untere Dorf bis zum Anichsbäcker (jetzt Franz Ernst) und bis zum Achelmann (jetzt Gratz Mathias) wurde völlig in Asche gelegt. Nur dem angestengten Bemühen gelang es, diese genannten Häuser und somit das obere Dorf zu retten.
Der Brand zerstörte insgesamt 63 Anwesen!
In der gemeindlichen Jahresrechnung von 1778 und 1779 steht, daß die 36 nicht abgebrannten Anwesenbesitzer an die abgebrannten spenden mußten. Auch eine landesweite Spendenaktion wurde 1778 durchgeführt.
An einer anderen Stelle ist in den Unterlagen zu ersehen:
„Es wurden für die Eindeckung der nach dem Brand neu aufgebauten Häuser 64 000 Späne angefertigt.“
Nebenbei sei angemerkt, daß trotz des Brandunglücks im Jahre 1777 aus Innsbruck eine neue Orgel für die Pfarrkirche angeschafft und bezahlt werden konnte.
Daß der Ort damals auch von Naturkatastrophen nicht verschont gebliegen ist, zeigt ein Eintrag in der Gemeindebüchern vom Jahr 1786:…es herrschte eine große Dürre und Nässe. Fesen und Roggen wurden überschwemmt. 100 Fuhren Angerheu wurden weggespült…
1811 wurden in Unterammergau 167 Familien registriert. Einer der größten landwirtschaftlichen Betriebe war der „Baur“ (jetzt Hiergeist). Bei ihm zählte man 14 Rösser, 10 Kühe, 6 Kalbinnen (Galtvieh), 3 Stiere, 6 Kälber, 2 Geißen, 6 Schafe.
Am 18. und 19. November 1817 brannten bei einem Dorfbrand in Oberammergau 34 Häuser ab. Die Kirche und die angrenzenden Häuser konnten nur mit Mühe gerettet werden. Unterammergau beteiligte sich an den Löscharbeiten neben Leuten aus Kohlgrub, Ettal, Graswang und Bayersoien.
1824 hat die Gemeinde Unterammergau für die Reparatur der vorhandenen Feuerspritze Geld ausgegeben. Josef Unhoch erhielt für deren Unterhalt 2 Gulden 39 Kreuzer.
Wieder ist aus der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Oberammergau folgendes zu entnehmen: „Am Morgen des 24. März 1836 war die nachbarliche Löschhilfe der Oberammergauer in Anspruch genommen. Ein schrecklicher Brand war in Unterammergau ausgebrochen. Innerhalb weniger Stunden waren 46 Familien mit 231 Angehörigen ihres Obdaches, ihrer Kleidung, Lebensmittel und Hauseinrichtung beraubt. 236 Stück Vieh waren ohne Futter. Das gesamte Hinterdorf war abgebrannt. Es wurden 45 Häuser ein Raub der Flammen.“
Dem Intelligenzblat (heute Amtsblatt) für den Isarkreis vom 30. September 1836 ist zu entnehmen, daß seine Majestät der König (Ludwig I.) einer landesweiten Sammlung für den Wiederaufbau von Unterammergau zugestimmt hat. Zur Linderung der ersten Not wurden den Brandleidern vom König und der verwitweten Königin Karoline 3000 Gulden übergeben.
Wohl ziemlich einmalig in der damaligen Zeit und auch in der einer heute noch erstaunlichen Perfektion wurde der abgebrannte Teil des Dorfes neu aufgebaut.
Die Gemeinde mußte dafür Grund -die untere Stoana- zur Verfügung stellen.
In geordneten Reihen errichtete man die Häuser so, daß jeder Wohnteil freie Sonneneinstrahlung von Süden her hat. Die alpenländischen Holzhäuser mit flachgeneigten Dächern mußten dem schäbischen Steildachhaus mit gemauertem Giebel weichen.
Brennholzlagerungen an den Häusern waren untersagt. Zur Errichtung von Holzlegen stellte die Gemeinde an der Laine und an der Tränk Grund zur Verfügung.
Nach mündlicher Überlieferung wurde dem Anwesenbesitzer, bei dem der Dorfbrand entstanden war, der Verbleib innerhalb des Ortsbereiches versagt. Er mußte sein Haus außerhalb des Orts errichten. Deshalb ist am südlichen Ortseingang rechts der Dorfstaße ein landwirtschaftliches Anwesen ebenfalls im Stil des Hinterdorfs entstanden.
Die Gemeinde berichtete damals an das Ministerium, der Wald nehme durch den wegen des Dorfwiederaufbaus vermehrten Holzeinschlag keinen Schaden (!).
1835 und 1837 brannten auch in Murnau bei Bränden insgesamt 63 Häuser nieder, Die Unterammergauer Männer, die in Murnau beim Löschen geholfen hatten, bekamen von unserer Gemeinde dafür Geld ausgezahlt.
Im Jahr 1844 wurden in Oberammergau 20 Anwesen ein Raub der Flammen. Von der Gemeinde Unterammergau erhielt Oberammergau zur Linderung der Not einen Geldbetrag.
Die Feuerlöscheinrichtungen der damaligen Zeit waren zwar primitiv, jedoch wurde auf ihr Vorhandensein geachtet.
Einem Eintrag in der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Oberammergau kann man entnehmen, daß Herr Jörg Schärfl von Unterammergau nach Oberammergau ziehen durfte. Als Bedingung bekam er neben anderem auch auferlegt, daß er einen Feuerkübel mitzubringen habe. Mit diesen Kübeln, die jeder männliche Einwohner haben mußte, wurde zwischen Gewässer und Brandherd eine Eimerkette gebildet. An der Stelle an der die leeren Kübel an die Wasserstelle zurückgelangten, hatten sich die „leichteren Männer“ einzureihen.
Das auf diese Weise herangeschaffte Wasser leerte man direkt in den Brand, ab ca. 1750 spritzte man es auch mit kleinen tragbaren oder einachsigen Spritzen in das Feuer. Letztmalig wurden 1874 in Unterammergau die Feuereimer amtlich registriert; es waren im Ort 120 Kübel vorhanden.
1894 wurden neue Einreißhaken für die Brandbekämpfung angeschafft. Eine kleine Anschaffung. Anscheinend war die Gemeinde zu dieser Zeit arm. Es ist dies auch zu schließen aus dem Protokoll einer Gemeindebesichtigung durch das Bezirksamt (heute Landradsamt), es müsse erneut beanstandet werden, daß den Schulkindern beiderlei Geschlechts im Schulhaus nur ein Abort im Freien zur Verfügung stehe.
1869 beanstandete das Bezirksamt, daß sich das hölzerne Feuergerätehaus in Mitte des Ortes….,, in einem herabgekommenen Zustand befinde und erneuert werden müsse…“.
Seit einem Großbrand in Hamburg im Jahr 1842 waren die Ministerien bestrebt, das Feuerlöschwesen neu zu ordnen. Im Laufe der Jahre wurden die Gemeinden immer mehr gedrängt, auf Vereinsbasis Mannschaften zu bilden, die mit den Löschgeräten geordnet umzugehen wußten. Oberammergau hat daraufhin seine Freiwillige Feuerwehr bereits 6 Jahre vor uns 1869 gegründet.
Als in Unterammergau im Oktober 1875 das Anwesen des Schumachers Johann Fischer (jetzt Fischer Resi, Stoamichela) abbrannte , kamen auch die Oberammergauer zu Hilfe. Ihr diszipliniertes Auftreten und ihr Können beeindruckte die Unterammergauer. Es war Anlaß, auch hier in Unterammergau eine Freiwillige Feuerwehr zu gründen.
In der Gründungsversammlung am 17. November 1875 waren 46 Bürger anwesend. Einstimmig wurde beschlossen, auch eine Freiwillige Feuerwehr zu gründen. Es war die Fünfte Wehr im Landkreis. Der im Ort ansässige praktische Arzt Dr. Müller stellte sich als Vorstand zur Verfügung. Schriftführer war der Lehrer des Orts, Herr Werkmeister.
In der ersten Begeisterung war jeden Monat eine Versammlung, später jedes Quartal.
In den folgenden Jahren wurden von der Freiwilligen Feuerwehr bereits in Eschenlohe, Oberammergau, Bad Kohlgrub und Bad Bayersoien Brände bekämpft. Nachdem damals die Entfernungen noch zu Fuß oder per Gespann zurückgelegt werden mußten, waren dies erstaunliche Leistungen.
Die Gemeinde stattete im Jahr 1894 die Feuerwehr mit einer neuen Saug- und Druckspritze der Firma Braun aus. Diese Pumpe hatte bei 55 Pumpbewegungen in der Minute eine Leistung von 160 Liter Wasser. Neben diesem Gerät waren noch die Kirchmayr-Spritze und eine ganz alte Feuerspritze da. Die beiden letzgenannten Spritzen wurden 1946 zum Gießen der Kirchenglocken gespendet und eingeschmolzen.
Im Jahr 1899 wurde eine neue Leiter angeschafft. Die Druckspritze und die Leiter sind heute noch in gutem Zustand vorhanden. In diese Zeit fällt auch die Anschaffung von 130 neuen Uniformen.
Der Anschaffungsbeschluß wurde durch folgende Richtlinien ergänzt:
- a) Die Uniformen müssen so ausschauen wie die der Feuerwehr Garmisch,
- b) nach Beerdigung darf die Uniform nur bis 12 Uhr mittags getragen werden,
- c) nach Versammlungen müssen länger Verbleibende die Uniformen vor Tagesanbruch
abnehmen.
Am 1. Mai 1899 wurde die Situation für die Brandbekämpfung wesentlich verbessert, da die neue Wasserleitung in Betrieb genommen werden konnte.
Zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft während des ersten Weltkrieges war es notwendig, Fünfzehnjährige in die Wehr zu berufen.
Im Jahr 1922 brannten in Unterammergau zwei Anwesen. Im Sommer das Gebäude Gansler, später das Haus Spanner. Bei diesem Brand konnte die Feuerwehr durch rasches Eingreifen das nahe Nachbarhaus Mitterer retten. Voll Freude darüber, daß sein Haus trotz bereits angebranntem Vordach erhalten blieb, verschenkte Mitterer die Waren, die er im Landen hatte.
1931 wurde die erste Motorspritze für Unterammergau angeschafft. Es handelte sich um eine Zweirad-Magirus-Motorspritze Modell „Rhenania“. Für den Transport mit dem Gespann konnte man vorne einen einachsigen Fahrbock anstecken. Dieses Gerät hatte für damalige Verhältnisse eine sehr gute Leistung. Es förderte 1000 Liter Wasser/Minute. Der Motor war ein Vierzylinder-Benzinmotor mit einer Leistung von 36 PS.
1938 fertigte das Landratsamt Pläne für die Erweiterung des Gerätehauses an. Nach Norden hin war ein Flügelbau mit Schlauchturm geplant. Wegen Kriegsbeginn wurde der Bau nicht mehr ausgeführt. Den Unterlagen zufolge dürfte das Gerätehaus schon vor dem ersten Dorfbrand 1777 an der heutigen Stelle bestanden haben. Bis 1869 war es aus Holz, anschließend gemauert. Unter Kommandant Beßenbacher wurde es 1957 seitlich erweitert. Abgesehen von der Anhebung des Dachstuhls und dem Einbau eines Tores steht das Haus heute noch unverändert an der Pürschlingstraße.
Während des zweiten Weltkriegs wurden die Unterammergauer auch einige Male nach München gerufen, um die nach Fliegerangriffen tagelang lodernden Brände löschen zu helfen. Die Einsätze dauerten überwiegend einige Tage, ihren Umfang und die Schwierigkeiten verdeutlicht die Aussage eines beteiligten Wehrmannes: „Am zerstörten Postscheckamt waren wir eingesetzt, dort standen wir bis zu den Knien in den Zahlkarten. Fahrdrähte der Trambahnen lagen umher, Trümmerhaufen und Bombentrichter versperrten die Straßen und und und…“
Bei einer dieser Einsatzfahrten -die Motorspritze wurde dabei, obwohl sie nur mit Wollgummi bereift war, jeweils an das LF 8 der Oberammergauer Wehr angehängt – machte sich die Anhängspritze unbemerkt selbständig. Erst in München stellte sich der Verlust heraus. Bei der anschließenden Suchfahrt fand sich die Spritze am Hirschberg bei Weilheim im Straßengraben wieder. Für Zugführer Kölbl (Sattler), der den Einsatz leitete, sicher ein unerfreulicher Zwischenfall.
Nach Kriegsende erreichte die Wehr nochmals einen neuen Höchststand an aktiven Mitgliedern mit teilweise 110 Mann!
Von der alliierten Militärregierung wurde eine zusätzliche Kennzeichnung der Uniformen gefordert. Die Aufschrift gab, im Dialekt gesprochen zu Gelächter Anlaß: „Fire Dept.“.
Am 7. August 1946 um 6.25 Uhr entfachte sich im Sägewerk der Holzindustrie ein Großbrand. Die Wehr wurde damals sehr gefordert. Dies, obwohl auch die Feuerwehren aus Oberammergau, Altenau, Saulgrub, Kohlgrub, Oberau, Garmisch, Partenkirchen und die Wehr der US-Kaserne Oberammergau mithalfen.
Beim großen Waldbrand an der Arnspitze bei Mittenwald, der vom 6. September bis 2. Oktober 1947 dauerte, mußte auch von Unterammergau täglich eine Abordnung für die dort eingesetzte TS 8 (Breuer-Spritze) abgestellt werden. Man darf die Umstände nicht vergessen, nämlich, daß zu dieser Zeit Essen, Bekleidung u. a. nur auf Marken oder Bezugsschein ergattert werden konnte bzw. nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen war. Der von den Amerikanern für den Betrieb der Motorspritzen zur Verfügung gestellte Treibstoff wurde so unter anderem auch als Tauschmittel zweckentfremdet.
Nach der Währungsreform, wobei bei der Kopfgeldausgabe die Feuerwehr noch für Ordnung sorgen mußte normalisierte sich auch der Betrieb der Feuerwehr wieder.
Der Material- und Gerätebestand, der durch die Kriegs- und Nachkriegszeit sehr zu wünschen übrig ließ, konnten nach und nach ergänzt werden. Die Handdruckspritze, die von der Wehrmacht stehengelassene Breuer TS 8/8 und die Magirus-Spritze wurden in den Jahren 1960 und 1963 durch neue TS 8/8 von Fa. Ziegler ersetzt.
Im April 1964 , beim Brand im Haseidl-Hof bewährten sich bereits die neuen Geräte und der Ausbildungsstand, das Wohnhaus wurde gerettet.
1971 konnte von der Feuerwehr Mittenwald ein gebrauchtes TLF 15 erworben werden. Ein DKW Jeep wurde zusätzlich im Jahr 1972 angeschafft. Das Schlauchmaterial bedurfte ebenfalls dem Stand der Technik entsprechend der Ergänzung.
Am 14./15. August 1975 konnte unter reger Anteilnahme der Bevölkerung, mit Beteiligung der Landkreiswehren das 100-jährige Bestehen gefeiert werden. Es wurde dabei die neue Fahne geweiht.
Seither ist bei allen festlichen Anlässen auch die Feuerwehr mit ihrem Fähnrich Johann Gansler und den Begleitern Harald Oswald und Ludwig Erhart vertreten.
Die Ausbildung schließlich wurde fortan durch Beteiligung am Bayerischen Leistungsabzeichen vertieft.
Nach Verwirklichung des derzeit geplanten Gerätehauses-Neubaues auf dem ehemaligen Pflanzgartengrundstück, dem heutigen Bauhofgelände, und der Einführung des schweren Atemschutzes dürfte wieder ein weiterer Markstein in der Entwicklung des örtlichen Feuerlöschwesens erreicht sein.
Einen wesentlichen Anteil an der Gesamtentwicklung der Wehr hatten nicht zuletzt auch die jeweiligen Kommandanten.
Besonders zu erwähnen sind Michael Deisenberger (Jagurer), der 28 Jahre der Wehr vorstand, Anton Huber, der 25 Jahre Kommandant war und auch Josef Lindauer (Wegmacher), der in den schweren Nachkriegsjahren die Wehr leitete, bevor Georg Beßenbacher und dann Ludwig Schretter das Ruder übernahmen. Seit 1962 wird die Feuerwehr von Josef Lindauer geführt.
Unterammergau, im Sommer 1985
Lindauer, Kommandant